An dem gut besuchten DGH Görsroth am Sonntagnachmittag, 16.10.22, konnte man ermessen,
welchen Stellenwert der Männerchor der SV Görsroth in unserer Gemeinde und darüber hinaus hatte.
Unsere ursprüngliche Platzplanung reichte nicht aus, so dass wir spontan noch Tische und Stühle hinzuholen mussten, um allen Besuchern einen Platz anbieten zu können.
In den Reden von Bürgermeister Jan Kraus, Udo Petri als Geschäftsführer des Sängerkreises Untertaunus, Peter Fischer als Sponsor der Sängervereinigung
und Initiator unseres
gemischten Chores Farbenklang und Pfarrerin Manuela König wurde die Bedeutung des Chores für die Region und die großen Erfolge hervorgehoben, die er
in seiner langen
Geschichte erreicht hat.
Alle Redner bedauerten sehr, dass es diesen ehemals so erfolgreichen Chor ab sofort nicht mehr geben wird, drei Jahre bevor er 150 Jahre alt geworden
wäre.
Es wurde aber auch deutlich, dass die Auflösung des Chores kein Einzelfall ist, sondern ein Phänomen unserer Zeit, in der das Singen vor allem in Männerchören kleinerer Gemeinden auf immer
weniger Interesse stößt.
Dieser Chor war der letzte reine Männerchor Hünstettens.
Die erste Vorsitzende Jasmin Wesolowski moderierte kurzweilig durch den Nachmittag.
Sozusagen mit dem Chor aufgewachsen, bedauerte sie es außerordentlich, dass ausgerechnet sie dessen Ende bekanntgeben musste.
Jasmin gab einen Überblick über die Vereinsgeschichte und die Höhepunkte des Chorlebens. Die Sängervereinigung bildete sich 1932 aus einem Zusammenschluss von ursprünglich zwei Görsrother
Vereinen zu einem überaus erfolgreichen Chor mit 72 Sängern bei lediglich ca. 400 Einwohnern!
Das kann nur bedeuten, dass zu dieser Zeit eigentlich jeder männliche Einwohner des Dorfes mitgesungen hat.
Diese Zahl reduzierte sich im Laufe der Jahre etwas, aber die Erfolge blieben.
Hiervon zeugten die vor der Bühne ausgestellten zahlreichen Medaillen, Pokale und kunstvoll bestickten Stoffbanner, die die Sänger über die Jahre von nationalen und internationalen Wettbewerben
mitgebracht hatten.
Aus der Chronik zum 125. Jubiläum im Jahre 2000:
„ Zu einem Triumph wurde die Hollandfahrt. Die Sängervereinigung Görsroth hat unter starker internationaler Konkurrenz beim Gesangswettstreit in
Venlo-Blerik die höchste Punktzahl, die beste Bewertung des Tages und
den Dirigentenpreis ersungen. Damit erhielt sie die höchste Auszeichnung, die Goldmedaille Ihrer Majestät Juliane Königin der Niederlande.
Eine Abordnung des Königshauses überreichte den Preis am 19. September 1970 .... in Görsroth.“
Was das für eine so kleine Gemeinde bedeutete, kann man sich vorstellen!
Das gesangliche Programm des Nachmittags gestalteten neben den Hauptakteuren des Männerchores der SV Görsroth die Sängerinnen des MGV Wehen „Canta
Miss“ - und unser „Farbenklang“.
Die Görsrother Männer wurden auf der Bühne unterstützt von Gastsängern der Concordia Niederbrechen und Harmonie Hainstadt. Alle Chöre stehen unter der Leitung des
Dirigenten Michael Knopke.
Am Klavier begleitete Silke von der Heidt.
Die Band „Jazz erst recht“ unter Leitung von Kai-Uwe Hopf brachte rhythmische Abwechslung mit Swing, Jazz und
rockigen Elementen in den Saal.
Für besondere Erheiterung sorgten immer wieder kleine Videoeinspieler. Sie zeigten Jasmin Wesolowski im Interview mit Sängern, die allgemein über das
Chorleben aber auch lustige Anekdoten zu berichten hatten. Hier sei vor allem Oskar Feuerstein erwähnt, der den Verein mehr als 30 Jahre lang als erster Vorsitzender leitete. Er berichtete, was das
Amt für ihn bedeutete und wie er im Jahr 2015 die Gründung des gemischten Chores Farbenklang zusammen mit Peter Fischer in die Wege leitete.
Heute sieht Oskar dies als eine seiner wichtigsten Entscheidungen.
Ebenfalls im Interview aber leider nicht persönlich anwesend war unser Vorstandsmitglied Ottokar Leukel. Er singt seit 70 Jahren, ist mit seinen 88
Jahren der älteste Sänger des Vereins und das jüngste Mitglied im Farbenklang, da es – Zitat: „... für mich eine ganz große Enttäuschung für mein ganzes Leben (wäre), den Gesang aufzugeben .... und
deswegen bin ich heute ein Sänger des gemischten Chores.“
Sein Enkel, unser zweiter Vorsitzender Jan Fischer, überbrachte in seinem Auftrag am Schluss dem Publikum noch sehr emotionale Worte. Worte des
Bedauerns über das Ende einer Ära, Worte über das was verloren geht, aber auch optimistische Worte für die Zukunft, denn, so Ottokar, der Verein lebe weiter. Und so ist der Farbenklang als gemischter
Chor – das wurde auch in allen Reden deutlich – ein großes Glück für die Sängervereinigung und für alle, die den Chorgesang lieben. Er ist jetzt Zukunft und Hoffnungsträger für das Weiterbestehen des
Vereins.
Wie Ottokar singt die Mehrzahl der „übriggebliebenen“ Sänger des Männerchores auch im Farbenklang, sie müssen
also das Singen nicht aufgeben. Und so passte auch hier das Motto des Tages: „Niemals geht man so ganz....“!
Beim letzten, sehr gefühlvoll vorgetragenen Lied des Männerchores, „In der Fremde“, wurden Taschentücher hervorgeholt und Tränen gewischt. Dieser
Abschied tat vielen weh und wird in Hünstetten eine kulturelle Lücke hinterlassen. Die Sänger wurden mit stehendem Applaus von
der Bühne verabschiedet.
Am Ende des Tages waren wir uns einig:
Es war ein Abschied voller Respekt und Wertschätzung. Einen schöneren Abschied hätten sich die Sänger kaum wünschen können und sie haben ihn auch
verdient.
Die Ehefrau eines langjährigen Sängers brachte es auf den Punkt: „Ein niveauvoller Abschied von unserem alten Chor, der mir sehr viel bedeutet
hat....!“
Wir bedanken uns an dieser Stelle nochmals für die klangvolle Unterstützung der Gastchöre aus Niederbrechen und Hainstadt. Außerdem ein ganz großes
und herzliches Dankeschön an die Helfer hinter der Theke, die sämtliche Thekendienste organisiert und ununterbrochen hinter dem Tresen und in der Küche gestanden haben! Ohne sie hätten wir es nicht
geschafft!